25 Jahre Erfahrung im Ecommerce und im Onlinemarketing

Ich arbeite seid Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts (wie sich das anhört) im und mit dem Internet. Eigentlich ein Grund zum Feiern, aber die Zeiten haben sich geändert: Berufserfahrung ist in kaum einer Branche mehr etwas wert, aber auf keine andere Branche dürfte das mehr zutreffen als für die digitale Industrie. Nirgendwo sonst ändern sich die Rahmenbedingungen schneller. Was man vor 3 Jahren gelernt hat ist heute schon wieder überholt. Aber stimmt das überhaupt? Ab und an stelle ich mir die Frage, ob man mit Mitte 50 nicht langsam zu alt für diese Branche ist? Um die Antwort vorwegzunehmen, dieses Gefühl habe ich nicht!

Im Onlinemarketing selbständig arbeiten

Nach vielen Jahren in Agenturen und größeren Konzernen hatte ich zunehmend das Bedürfnis, selbständig zu arbeiten und 2012 habe ich diesen Schritt gewagt. Die Idee meiner Selbständigkeit war, anstatt für einen Kunden (in diesem Fall der Arbeitgeber) mehrere Auftraggeber zu haben und für diese Dienstleistungen wie Shopadministration und Onlinemarketing anzubieten. Anstatt also nur einem Kunden zu dienen, dem man als Arbeitnehmer mehr oder weniger ausgeliefert ist (z.B. was das Übertragen von Aufgaben oder gar die Versetzung in andere Abteilungen betrifft) hatte ich gehofft, mich eher auf spannende Aufgaben zu konzentrieren und dafür entsprechende Auftraggeber zu finden. Die Planung war, 3 bis 5 kleinere Unternehmen zu finden und für diese dann die Webshops und das Onlinemarketing zu betreuen. Kleinere Unternehmen deshalb, weil ich davon ausging, dass sich für diese Firmen ein auf nur diese Themen spezialisierter Angestellter nicht lohnt und man deshalb auf die Idee kommt, diese Aufgaben auszulagern.

Warum meine Selbständigkeit nicht funktionierte

Und da liegt schon mein Denkfehler. Interessenten in Form dieser kleinen Firmen gibt es genug, das Problem dieser Firmen ist aber, dass sie grundsätzlich im Panikmodus agieren und in keinster Weise strategisch vorgehen. Die Wünsche, Anforderungen und Ansprüche sind bei diesen Unternehmen riesig, im Gegensatz dazu aber Budgets bzw. die (Risiko-)Bereitschaft in neue Vertriebswege zu investieren quasi nicht existent. Irgendwie schwirrt bei den Verantwortlichen die Vorstellung im Kopf herum, dass im Internet alles Open Source und damit kostenlos sei.

Die krassesten Erlebnisse hatte ich immer bei Google Adwords (jetzt Google Ads): entweder hatten Firmen pro Monat hunderte oder gar tausende von Euros ausgegeben, waren am Jammern wie teuer alles ist, hatten aber keinerlei Kostenkontrolle installiert, um die Ausgaben in Google Ads zu überwachen (geschweige denn, dass sie für eine solche Kontrolle auch noch einmal Geld in die Hand genommen hätten). Auf der anderen Seite hatte ich Kunden, die haben bei Google Ads immer nur die Ausgabenseite gesehen, nie aber die Einnahmen. Denen tat jeder Euro weh, den sie an Google zahlen sollten. Da wurde mit Tagesbudgets von 5 oder 10 Euro experimentiert und sich dann gewundert, dass man über diesen Kanal nichts verkaufen konnte.

Wenn ich dann für meine Dienstleistungen auch noch Rechnungen stellte war es meist ganz vorbei. Ich wundere immer noch, mit welcher Naivität und Dummheit Firmen im Internet unterwegs sind. Da hatte ich Diskussionen, in denen Kunden allen Ernstes meinten, sie zahlen mir die Einrichtung ihres Onlineshops erst, wenn sie auch wirtschaftlichen Erfolg damit haben. Und die Vorstellung war nicht selten, dass die Arbeit mit dem Live-Gang des Onlineshops getan sei. Dass man sein Angebot mit den Methoden des Onlinemarketings erst noch vermarkten muss hat die Intelligenz der meisten Kleinunternehmer deutlich überfordert (YEAH, ICH HABE MEINEN ONLINESHOP, JETZT KOMMT DAS GROSSE GELD).

Der größte Fehler meinerseits war aber die fehlende Spezialisierung auf ein System. Ich habe mich leider hinreißen lassen, mich bei jeder Kundenanfrage mit neuen Technologien oder Systemen zu beschäftigen. Das konnte nicht klappen. Mal ein bischen Magento hier, mal ein wenig Shopware da, dann mal wieder mit WordPress oder Drupal rumbasteln geht halt nicht. Da hätte ich wie ursprünglich geplant besser bei Magento bleiben sollen (war eigentlich auch so geplant). Im Falle fehlender Kundenaufträge hätte ich lieber eigenständig Module entwickeln und diese vermarkten sollen! Nur so hätte ich es geschafft, für ein System zum Experten zu werden, der am Markt nicht nur gefragt ist, sondern auch entsprechende Stundensätze abrufen kann. Außerdem waren es mir eindeutig zu viele Rollen, die man als Freelancer/Einzelkämpfer abdecken muss: Verkäufer, Berater, Frontend- und Backendentwickler für diverse Systeme und Experte für Onlinemarketing (und natürlich auch Seelenklemptner für Kleinunternehmern). Und am wenigsten liegt mir leider die Rolle als Verkäufer. Man muss auch einsehen können, was man nicht kann. So habe ich nach 3 Jahren die Selbständigkeit wieder aufgegeben.

Das war also nix.

Spannende Erfahrung: Nearshoring mit IT Firma aus Litauen

Eine Initiative möchte ich trotzdem noch ansprechen, bei der es mir sehr Leid tut, dass daraus nicht mehr geworden ist. Über die Meet Magento in Leipzig hatte ich Paulius Nagys kennengelernt, ein Kollege aus Litauen, der mit einer Gruppe Informatikstudenten in Kaunas eine eigene Magento-Agentur gegründet hatte: Adeoweb. Die Idee war, die Shopentwicklung mit Magento als Dienstleistung hier in Deutschland anzubieten, d.h. ich als Ansprechpartner (heißt heute wohl Keyaccounter) für deutsche bzw. deutschspachige Kunden, die technische Umsetzung inkl. Layout und Design in Litauen. Der Vorteil für die Kunden wäre eine hochqualifizierte Umsetzung ihrer Projekte – immerhin war Kaunas in Litauen mal eines der führenden Technologiezentren Russlands! – bei recht günstigen Preisen gewesen, jedenfalls im Vergleich zu den Stunden- und Tagessätzen in Deutschland. Nearshoring statt Offshoring. Günstige Qualität statt nur billig! Aber leider auch hier: viele Projektanfragen, zaudernde und unentschlossene Kunden. Außerdem, wenn man Deutschen etwas günstig anbietet, dann wollen sie es richtig billig: Die günstigen Stundensätze waren trotz hoch qualifizierter Entwickler den meisten doch zu hoch und meinten immer, in der Ukraine oder Indien würden sie die Dienstleitungen billiger bekommen. Irgendwann war ich von diesen Diskussionen so genervt, dass ich den Leuten nur noch geraten hatte, nach Indien zu gehen. Über Magentoshops, die ich von indischen Agenturen übernommen habe, könnte ich auch einige Anekdoten erzählen, dabei waren weniger die indischen Entwickler das Problem, als ihre deutschen Auftraggeber, die zum Teil gar nicht wussten, was sie da beauftragt und später geliefert bekommen hatten. Eine Unternehmerin hatte tatsächlich eine ZIP-Datei erhalten und mich dann gefragt, wo denn ihr Shop sei. Aber lassen wir das 🙂

Zumindest ein erfolgreiches Projekt konnte ich mit Adeoweb umsetzen, auf das auch immer noch ein wenig stolz bin: SAFE Albums, ein traditionsreicher Hersteller von Briefmarken- und Münzalben aus Reutlingen. Soweit ich weiß, arbeitet SAFE Albums immer noch mit der litauischen Agentur Adeoweb zusammen.

Wieder angestellt

Meine Auftraggeber und damit die Aufträge wurden zunehmend kleiner, die Zahlungsmoral immer schlechter. Als Freelancer an interessante Projekte zu kommen geschweige denn ein einigermaßen Einkommen zu erzielen wurde zunehmend utopischer. Ich hatte zwar immer wieder Anfragen von Personalbüros, mich als Freelancer auf Projekte zu bewerben, aber das war nicht die Grundidee meiner Selbständigkeit. Für zwei, drei oder mehr Monate in Köln, Hamburg oder sonstwo zu arbeiten und im Hotel zu wohnen ist nicht meins.

Aus diesem Grund war ich sehr froh, als sich die Gelegenheit bot, in einer kleinen, nahe gelegenen Ecommerce-Firma als Onlinemarketing- und Projektmanager wieder angestellt anzufangen. Ein geregeltes Einkommen und einigermaßen geregelte Arbeitszeiten sind schon klasse, ohne Zweifel. Vor allem aber spart man sich das nervige Rumgehansel mit möglichen Interessent/Kunden. Außerdem macht mir der Ecommerce mit der gesamten zugrundeliegenden Technologien und dem dazugehörigen Onlinemarketing zu viel Spaß, als das ich mich ständig mit der Akquise neuer Projekte beschäftigen möchte. So habe ich auch wieder Zugang zu neuen, spannenden Tools wie der Suchlösung für Shopsysteme von FACT Finder oder dem Feed-Generator ProductsUp zur Belieferung von Preissuchmaschinen oder Onlinemarktplätzen mit Produktdaten (zu Marktplätzen später mehr).

Wer also mit dem Gedanken spielt, sich als Freelancer selbständig zu machen, kann sich gerne bei mir melden, ich gebe meine Erfahrungen gerne weiter.

Eigene Initiativen seit der Aufgabe meiner Selbständigkeit

Nach meiner Festanstellung hat es aber nicht lange gedauert, bis ich wieder viele Ideen für diverse Webprojekte hatte. Schuld hat da sicherlich das PHP Framework Symfony. Mit Symfony kann man sehr einfach interaktive Webanwendungen mit einem x-beliebigen darunterliegenden Datenmodell und entsprechenden Ein- und Ausgabemasken erstellen. Damit habe ich mir dann eine kleine Verzeichnisanwendung samt Administration zur Datenpflege gebaut, dass so ziemlich für alle thematischen Verzeichnisse herhalten kann: Technikmuseen, Campingplätze oder Tiergärten, whatever. Eigentlich wollte ich damit nur ein wenig programmieren (da ich im Job so gut wie nur Managementaufgaben habe) um nicht das technische Know-how zu verlieren. Zudem wollte ich die Einnahmen als Publisher im Affiliatemarketing generieren, was ich aber wegen der DSGVO und der anstehenden ePrivacy Verordnung wieder weitgehend zurückgebaut habe. Auch eine Anwendung für Gutscheine (adbuzzr.de), die sich nächtlich automatisiert, dümpelt seither vor sich hin.

Ein Ansporn hin zum ernsthafteren Entwickeln von Businessmodellen war für mich im Juli letzten Jahres, als Dawanda ihren Onlinemarktplatz für Selbstgemachtes einfach so und ohne Not den Betrieb einstellte. Laut Medienberichten war den Investoren das Wachstumspotenzuial von Dawanda nicht groß genug. Alle Dawanda-Händler (angeblich an die 70.000!) wurden zum US-amerikanischen Mitbewerber Etsy rübergeschaufelt, das wird sich zumindest für die Gründer von Dawanda gelohnt haben. AMERICA FIRST!

Ich finde es jedenfalls schade, wenn es nur noch amerikanische (oder chinesische) Großkonzerne im Internet gibt, die uns die Bedingungen diktieren (und unsere Daten sammeln). So kam schnell die Idee auf, einen solchen Marktplatz nachzubauen und mit Funktionen zu erweitern, welche kleine Händler und Hersteller nach Möglichkeit noch in ihrem Vertrieb unterstützen. Basis der Arbeit ist das Shopsystem OXID eSales aus Freiburg, das ich mit einem Satz an Modulen mit den notwendigen Marktplatzfunktionien ausgestattet habe:

  • Shop anlegen
  • Artikel einstellen und verwalten
  • Bestellungen erhalten und verwalten
  • verkaufsfördernde Maßnahmen für Händler

Dank der Arbeit am Onlinemarktplatz KultHandWerk finde ich zunehmend Gefallen am Geschäftsmodell der Onlinemarktplätze. Aus diesem Grund werde ich vermutlich auch diese Webseite, also virtual-commerce.de umbauen und zunehmend auf dieses Thema ausrichten. Außerdem beschäftige ich mich jobbedingt wieder zunehmend mit Google Ads (früher Adwords) und Microsoft Ads (früher Bing Ads). Besonders interessant sind dabei Aspekte des Monitorings und der Automatisierung per Skript, da bei den vielen Parametern im Suchmaschinenmarketing (SEM) eine manuelle Verwaltung der Google oder Bing Konten mit all den Kampagnen, Anzeigengruppen, Anzeigen, Suchbegriffen und Geboten kaum mehr möglich ist. Dazu in Zukunft hier im Blog sicherlich wieder mehr.

Um zum Schluss noch einmal auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, ob man mit Mitte 50 für den E-Commerce und das Onlinemarketing zu alt ist: sicher nicht. Die gute Nachricht: Ich erlebe immer wieder, vor allem im Umgang mit jüngeren Kollegen: Erfahrung zahlt sich aus, auch im Ecommerce. Nur ab und an nervt es einfach, wenn vor allem jüngere Kollegen mit übergroßem Ego hauptsächlich heiße Luft produzieren. Aber diese Typen findet man vermutlich in jeder Branche.